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Meybod - Wohnen im Minidorf

Nur gerade vier Familien wohnen am Rand der Wüste in Meybod. Die Familie von Mahtin nahm uns sehr herzlich auf und wir durften auf dem Ökohof beim Brot backen und Ziegen melken helfen.

Uralter Taubenschlag - Freitag, 2. Juni 2017

Das kleine Mädchen, das jeden Morgen mit ihrer Mutter in dem überdeckten Innenhof sitzt, setzt sich heute morgen zu Lucia. Sie heisst Elahe, ist 8 Jahre alt und hat zwei Brüder. Trotz ihren spärlichen Englisch-Kenntnissen unterhalten sich Lucia und sie prächtig. Einer der Brüder kommt auch noch dazu; er heisst Ali Reza, ist 9 Jahre alt und ist ziemlich schüchtern. Das Frühstück wird schon abgeräumt, als ich zur Runde hinzu stosse. (Ich weiss, ich bin eine Siebenschläferin!) Die Mutter nimmt mich mit in die Küche und präpariert mir einen grossen Teller mit feiner Wassermelone. Hmm, die sind so richtig saftig und der Geschmack perfekt. Wir unterhalten uns noch ein bisschen mit den Kids, lernen, dass ‘doozt’ Freund heisst, was wir gut gebrauchen können. Hello Doozt Luzia! :-)

Nun heisst es packen und bezahlen, dann ziehen wir los. Zuerst mit dem Taxi zum Sammeltaxi-Stand, von wo die Taxis zu den Destinationen ausserhalb der Stadt fahren. Der Fahrer des Sammeltaxis möchte 200'000 Rls von uns, doch unser City-Taxifahrer setzt sich für uns ein und für den halben Preis brausen wir Richtung Meybod davon. Eine Frau sitzt mit uns auf der Hinterbank und ein Afghane vorne beim Fahrer. Innert 45 Minuten sind wir via Schnellstrasse am Ziel angelangt - Meybod, eine mittelgrosse Provinzstadt. Hier müssen wir wieder in ein lokales Taxi wechseln, um nach Marvar zum gewünschten Guesthouse nahe den Bergen zu gelangen. Aber das Guesthouse Amme Robab scheint hier niemand zu kennen. Ich habe zum Glück den Prospekt bei der Touristinformation in Yazd fotografiert und der alte Taxichauffeur ruft das Guesthouse an. Nachdem sich die beiden ausgetauscht haben, dürfen auch wir mit dem Mann am Telefon sprechen, wenn auch sein Englisch spärlich ist. Der Taxifahrer ist schon ziemlich in die Jahre gekommen, er spricht ganz tatterig und zittert auch ein bisschen. Wir wundern uns, ob er die Strecke auch wirklich fahren kann? Nun müssen wir den Preis aushandeln. Es ist ausserhalb der Stadt, aber sooo weit ist es auch nicht. Der Chauffeur will 300'000 Rls! Er kommt auf 250'000 runter, aber das stimmt nach unserer Erfahrung nicht wirklich. So hart war es noch nie bei der Preisverhandlung. Es ist warm und wir stehen alle im Schatten am Strassenrand unter einem gelbblühenden Baumes. Zwei weitere Taxi-Fahrer gesellen sich zu unserer Runde, doch niemand erklärt sich bereit für einen günstigeren Preis zu fahren. Plötzlich hat Lucia die blendende Idee, dass wir gleich jetzt die Sehenswürdigkeiten hier in der Stadt besuchen und erst dann zu unserer Eco Lodge rausfahren könnten. So hätten wir gleich zwei Fliegen auf einen Schlag erwischt. Wir versuchen unsere Pläne auf einem Blatt Papier aufzuschreiben - mit Pfeilen und Namen der Sehenswürdigkeiten. Unser Preisangebot von 400'000 Rls schreiben wir auch gleich dazu. Das wird dann beäugt und besprochen und schlussendlich für gut befunden. Yes!

Zuerst steht der über 200 Jahre alt Pigeon Tower auf dem Programm, ein ehemaliger riesiger Taubenschlag auf dem Programm. Von aussen ist es ein massiger lehmiger Turm, doch das Innere hat uns begeistert. Die kleinen symmetrischen Löcher in den Wänden geben ein imposantes Gesamtbild ab und das Licht, das durch die Fenster fällt, macht das ganze mystisch. Dies war mal das Zuhause von etwa 4'000 Tauben. Der Guano (Taubenkot) wurde gesammelt und als Dünger verwendet.

Das etwas heruntergekommene Narin Castle stammt aus der Zeit der Sasanian Dynastie und ist wohl das älteste Adobe Fort im Iran. Man kann überall rumspazieren und von den Zinnen bietet sich ein herrlicher Ausblick über Meybod. Unser Taxifahrer führt uns ein bisschen herum. In den Shops der schön renovierten Caravansarei werden handgewobene Schals verkauft. Die Muster sind wunderschön und wir kaufen uns diese als Souvenirs. Das Ice House liegt gegenüber der Caravanserei, aber unser Fahrer will gehen, denn es wird ihm zu warm und wir sind zu langsam für ihn! Also lenken wir ein und es geht hinaus in die Wüste und zu den Bergen - ab nach Marvar, das man bereits von weitem sieht, denn die grüne Oase sticht am Fusse der kargen Bergkette heraus.

Der Fahrer weiss nicht, wo die Eco Lodge ist und will uns einfach mitten im Dorf abladen. Ich bleibe im Taxi sitzen, während Luzia mit dem älteren Herrn die Lodge suchen gehen. Schon beim ersten Haus sind sie fündig geworden. Das jüngere Ehepaar kommen aus dem Haus und begrüsst uns herzlich lachend: Welcome! Viel mehr Englisch-Kenntnisse haben sie nicht, aber das macht nichts. Sie sind super sympathisch und mit Händen und Füssen lässt sich gut kommunizieren. Sie zeigen uns gleich das Zimmer, das sich in einer Reihe von etwa vier zusammen gebauten Bungalows befindet. Das Zimmer ist eine super Überraschung - das Bad blitz sauber und alles sehr geräumig. Wir fragen wegen dem Preis, da muss der Herr des Hauses Hilfe mittels Telefon holen. Wir können mit einem Mann sprechen, der uns ein paar Informationen übergibt und uns über den Preis informiert. Gebongt, hier bleiben wir!

Lunch ist ready. Zusammen mit der Familie - Maryam, Mahtin (Machtin) und Tochter Sara, Grossmutter, Schwester von Mahtin und dem Baby Raihana - sitzen wir am Boden und essen das frisch zubereitete Essen. Es gibt feine Geissenmilchsuppe mit Kräutern, frisch gebackenes Brot, Basilikum aus dem Garten, Gurken und Jogurt. Die Familie ist super nett, sie reden ein Mix zwischen Farsi und Englisch und wir haben es lustig miteinander. Ramadan gibt es hier auch nicht. Auf die Frage, weshalb Niemand fastet, bekamen wir folgende Antworten: "Ich bin krank." "Ich habe ein Baby." "Die Grossmutter ist zu alt." "Das Kind ist zu jung." Wir sagen: "Und wir sind auf Reisen." Alle lachen wieder.

Am Nachmittag machen wir Siesta - ideal in unserem Zimmer, da es sehr gemütlich und kühl ist. Kurz vor 18.00 Uhr verlassen wir das Zimmer um im herrlichen Abendlicht den Öko-Hof auszukundschaften. Hinter dem Haus wird zurzeit ein rustikales Holz-Restaurant angebaut. Hier erwartet man wohl in Zukunft noch mehr Touristen. Auch der offene Innenhof ist im selben rustikalen Stil gebaut.

Der Bruder und die Schwester backen hinter dem Haus im Erdloch-Holz-Ofen frisches Fladenbrot. Ich versuche den Teig an die heisse Innenwand zu klatschen, damit es dann schön braun und knusprig wird. Wir dürfen auch gleich das frische Brot mit Geissenbutter probieren. Wow, seeeehr fein!

Mit Maryam, Sara und der Schwägerin mit Tochter machen wir einen Spaziergang durch den Garten. Basilikum, Oliven, Banana-Berrie-Bäume, Äpfel, Granatäpfel, Pistazien, Feigenbaum, Trauben und einen Wasserkanal, der alles bewässert. Dann geht es weiter durchs Dorf, wo wir auf eine Nachbarin treffen und erfahren, dass das Dorf Marvar nur gerade 30 Einwohner hat und dazu ein eigenes Wasserreservoir gehört, das wir natürlich als kleine Sehenswürdigkeit umgehend besuchen müssen. Wir werden in den Garten der Schwester unseres Gastgebers eingeladen, wo wir auf Schaukeln sitzen, die der Gatte Ahmad (sprich Achmad) selbst gezimmert hat. Wir trinken Wasser und spielen mit den zwei Land-Schildkröten, die gemächlich in einem Beet herumlaufen. Unser vollbepacktes Programm wird mit Geissen melken abgerundet. Geduldig zeigt uns Mahtin wie es geht und hält die Ziege fest, damit sie uns nicht ins Gesicht springt ... oder so. Mit Ach und Krach bringen wir etwas Milch aus den Zitzen und dabei wird viel gelacht. Fröhliche, friedliche, liebe Familie, herrlich!

Wir lernen auch, dass der Name der Unterkunft "Amme Robab" auch der Name der alten Tante ist, die schon ewig hier wohnt. Uns werden noch die Untergrund-Räume gezeigt, wo sich die früheren Generationen bei der sommerlichen Hitze zurück in die Kühle ziehen konnten. Anscheinend schläft in diesem dunklen Erdloch noch ab und zu die alte Tante.

Phua, nun wissen wir, für wen das neue grosszügige Restaurant gebaut wurde. Am Abend treffen 30 einheimische Gäste ein! Die ganze Familie ist beschäftigt, während wir den frisch gebrühten Tee mit Grosi geniessen. Zuerst wird eine Suppe mit Tomaten, Kartoffeln und verquirltem Ei serviert. Dazu das frische Brot, Jogurt und Basilikum, mhhhh! Das war zwar erst die Vorspeise, doch wir hatten den ganzen Tag schon viel gegessen und wollte nun einfach nur noch ins Bett und schlafen.

Mahtin und die Frauen bedienen die Gäste - viel Geschirr, grosse Töpfe voller Esswaren werden herumgetragen. Wir setzen uns noch kurz vor unseren Bungalow und geniessen den friedlichen Abend fernab von jeglicher Agglomeration. Grad bevor wir ins Zimmer wollten, bringt uns Mahtin noch zwei verschiedene Desserts. Beides super süss und extrem klebrig - wie alle Süssigkeiten im Iran.


Byebye, liebste Familie - Samstag, 3. Juni 2017.

Während der Nacht zischte der Wüstenwind lange um die Hausmauern, bis es plötzlich totenstill war. Am Morgen zwitschern fröhlich ein paar Vögel vor dem Fenster und hinter dem Haus meckert eine Ziege. Wir gönnen uns wieder mal viel Schlaf und stehen erst um 09.00 Uhr auf. Die Luft ist noch angenehm kühl. Im schönen Innenhof gibt es Frühstück. Die Familie will uns mästen: Zwei von den runden selbstgebackenen Broten, Ziegenkäse, Jogurt, Schafmilch, vier Spiegeleier, Datteln und Kräuter. Alles frisch und sehr lecker. Lucia trinkt Tee und ich erhalte ein Glas warmes Wasser, da ich ja keinen Tee und Kaffee trinke. Sie sind einfach unglaublich aufmerksam und lieb. Die Mutter sitzt mit uns am Boden und wir unterhalten uns prächtig und die kleine Sara, mit den endlos langen Wimpern und dem Breitmaulfröschli-Lachen, macht lustige Gesichter.

Nach dem reichhaltigen Frühstück machen Lucia und ich noch einen kleinen Spaziergang durch das Dorf und wir schiessen noch ein paar Fotos von einem kleinen Hügel. In die Ferne sieht man kaum, da es etwas dunstig ist - wahrscheinlich vom Wind aufgewirbelter Sand.

Bevor wir dieses Einod schweren Herzens verlassen, übergibt uns die Mutter noch handgewobene Tüchleins als Geschenk. So lieb! Zwei kleine Tüten Äpfel bekommen wir auch noch dazu. Mahtin schneidet noch eine süss-saftige Wassermelone auf. Mhhh! Nun wird es aber Zeit Richtung Meybod aufzubrechen. Zum Abschied werden wir von der Mutter lieb verküsst und umarmt. Mahtin, Maryam und Sara fahren uns zum Bus nach Maybod. Mahtin geht mit Lucia ins Bus-Büro um das Ticket zu kaufen. Alle zusammen warten wir bis der Bus kommt. Mahtin und Maryam versuchen uns noch etwas zu sagen und suchen nach den Worten auf Englisch, dann sagen sie zusammen: We love you! Am liebsten würde ich sie alle gleich verknuddeln. We love you too!

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