Je östlicher wir uns bewegen um so heisser wird es - kein Wunder, wir nähern uns der Wüsten-Region. Kerman ist der Ausgangspunkt um in die Wüste Kalut zu gelangen. Doch unterwegs gibt es noch viele weitere Sehenswürdigkeiten ... und vorallem wieder viele herzliche Begegnungen mit den Einheimischen.
Anfahrt nach Kerman - Samstag, 27. Mai 2017
Der Wecker klingelt bereits um 06.00 Uhr, rasch Zähne putzen und schon sind wir wieder unterwegs. Das bestellte Taxi (150’000 Rls) bringt uns pünktlich zum Busbahnhof. Ein "Schlepper" begleitet uns zum richtigen Schalter. Der Schlepper ist ziemlich enttäuscht, dass er keine Provision erhält, da wir unsere Tickets ja bereits organisiert haben. Die netten Herren im Peyma Office händigen uns für die achtstündige Fahrt die Bus-Tickets (800’000 Rls) aus und begleiten uns bis zum Bus. Scheinbar sind wir nur 4 oder 5 Passagiere, deshalb wird noch gewartet bis der Bus wenigstens halbvoll ist. Wir haben ja Zeit! Kurz vor 08.00 Uhr geht es dann los Richtung Osten. Unterwegs werden immer wieder Passagiere ein- und ausgeladen, jedoch ist der Bus nie ganz voll.
Wir fahren relativ rasch aus der Stadt raus; die Strassen sind in einem perfekten Zustand - auf den Schnellstrassen beträgt das Tempolimit 100 km/h. Der Service ist super, wir erhalten vom Busunternehmen Guetzli und Jus. Auf der gesamten Fahrt hält der Bus zweimal an und der nicht englisch sprechende Fahrer versucht uns jeweils mit Händen und Füssen zu erklären, dass dies nun eine Tee- und Pipi-Pause ist.
Eine trockene und flache Gegend zieht an den Busfenstern vorbei. Im Hintergrund sind Berge zu sehen. Zwischendurch wird es ein bisschen grüner, bevor die karge Landschaft wieder von der Wüste verschluckt wird. Plötzlich sind am Horizont sogar Schneeberge zu erkennen. Wir überqueren ein paar Pässe und gegen 16.00 Uhr erreichen wir Kerman. Der Busbahnhof ist sehr modern. Wir nehmen ein Taxi zum Hotel Amin, das uns der Reiseführer Lonely Planet schmackhaft gemacht hat. Scheinbar kennt man das Hotel und schon sind wir unterwegs (100'000 Rials). Das Hotel hat schon bessere Zeiten gesehen. Die Frau an der Rezeption ist grad mit ihrem Smart-Phone beschäftigt und interessiert sich so ziemlich gar nicht für uns. Endlich schaut sie auf und ich darf mir ein Zimmer anschauen gehen. Wow, das stinkt ja zum Himmel ... im wahrsten Sinn ... das Zimmer ist abgewohnt und schmuddelig. Das tun wir uns nicht an. Keines der weiteren vorgeschlagenen Unterkünfte im Reiseführer kann uns überzeugen. Das Reisebüro gleich neben dem Hotel Amin ist wenig hilfreich, die kennen nämlich kein einziges Hotel in der Stadt (immerhin über 700'000 Einwohner)! Also entscheiden wir uns halt für das im Reiseführer vorgeschlagene Hotel Akhavan. Wir können jedoch den Namen nicht richtig aussprechen und auch bei der Adresse ist jede Mühe vergebens - es braucht mehr ‘ch’ (was ja für uns Schweizer kein Problem sein sollte). Man sagt Ach-havan und Sudachi, nicht Sudoki! Nach ein paar Mal fragen stehen wir dann aber doch noch vor dem sehr einladenden Hotel. Der Fahrer will dann 80'000 statt 50'000 Rls, Lucia (unsere Schatzmeisterin) gibt ihm als gut schweizerischen Kompromiss 70'000. An der Rezeption werden wir von einem fröhlichen Herrn mit breitem Lachen begrüsst. Ja, ein Zimmer mit Bad hat er und wir dürfen es anschauen. Alles sieht gut aus hier, jetzt muss nur noch der Preis stimmen. Wir handeln zuerst den Europreis auf Dollars herunter und runden dann noch auf 2 Millionen ab und natürlich immer freundlich und mit einem Smile auf den Lippen. Das nennt man verhandeln. Das Hotel offeriert Touren in die Wüste, wir nehmen den Flyer mit und wollen die Vorschläge später studieren. Erst mal duschen und viel Wasser trinken. Wifi funktioniert nur auf dem Gang, aber wir haben zwei Sofastühle gleich vor unserem Zimmer, so können wir gemütlich surfen. Beim Zimmerpreis ist nicht nur das Frühstück inbegriffen, sondern auch das Abendessen. Um 19.30 gibt es endlich etwas zu futtern; wir sind grad etwas ausgehungert. Im fensterlosen Kellerraum (das scheint im Iran normal zu sein) Suppe und Salat, Lamm Kebab, Aubergine mit Kuhfleisch in Sauce (sehr fein), ein Gemüse Gericht mit Linsen, zum Dessert Konfi-Guetzli. Der Italiener aus La Spezia vom Nebentisch ist mit dem Motorrad unterwegs. Alle freuen sich über das spannende Gespräch.
In der Lobby studieren wir den Flyer mit den Wüsten-Ausflügen und stellen dem Chef noch ein paar Fragen. Schlussendlich entscheiden wir uns für eine private Wüsten-Tages-Tour mit Taxi. Der Chef will 50 Euro. Wir haben aber (zum Glück) nur Dollars, so werden es schlussendlich 50 Dollar für Taxi mit Klimaanlage, ohne Essen und Eintrittsgebühren!
Wir sind total müde und schlafen schnell ein. Die Nächte sind zum Glück herrlich kühl, so können wir bei offenem Fenster schlafen. Die Luftfeuchtigkeit beträgt gerade mal 3% - Wüstenklima!
Wüstenausflug - Sonntag, 28. Mai 2017
Zum Frühstück gibt es Tee und Jus, zudem ein feines Spiegelei. Unser Wüstentrip startet um 09.00 Uhr. Der Chauffeur Mashid Roshed spricht leider kaum englisch, aber er macht einen sympathisch Eindruck. Mit dem gelben Taxi von Mashid fahren wir los (bitte auch auf den Rücksitzen die Sicherheitsgurte montieren - das hatten wir auch noch nie, aber dem Wunsch kommen wir sicher gerne nach) und innert einer Stunden werden wir durch verschiedene Polizei-Check-Points aufgehalten und kontrolliert. Dabei wird jeweils der Ausweis des Fahrers kontrolliert und einen prüfenden Blick auf die Rückbank geworfen. Unser erstes Ziel ist Rayen, ein schöner einladender Ort, wo das in Renovation befindliche Adobe Fort (Arg-e Rayen) steht. In dem über 1'000 Jahre alten Lehmdorf, das bis vor 150 Jahren noch bewohnt war, darf man fast überall herumkraxeln, man muss aber aufpassen, dass man die Mauern nicht beschädigt oder abrutscht. Wir finden Treppen, die auf die Mauer führen, von wo man eine super Aussicht über das ganze Fort und die umliegende Gegend hat. Im Hintergrund thront Haraz, ein schneebedeckter Berg (ca. 4'500 m hoch). Es macht richtig Spass, weil man sich so frei bewegen darf. Auch beim hinteren Hauptgebäude, das Government House, finden wir einen Weg auf das Dach, wo man einen schönen Überblick auf die alten Gemäuer hat. Zusammen mit dem stahlblauen Himmel gibt das ganze ein schönes Fotosujet ab.
Nächster Stopp: die Color Mountains. Im grellen Mittagslicht kommen die Farben der verschiedenen Steinschichten nicht so gut zur Geltung, aber man sieht der Grund der Namensgebung. Unter anderem gibt es hier grüner und rosa Marmor. Die eindrücklichen Bergketten reihen sich endlos an- und hintereinander. Während wir Fotos schiessen, hat unser freundlicher Fahrer aus dem Kofferraum würzigen Tee und feine Kokosnuss-Guetzli hervorgezaubert. Mashid Roshed steht für Erinnerungsfotos wie ein strahlender Maienkäfer stramm und umarmt uns so richtig herzlich. Ich habe ihn schon in mein Herz geschlossen und bin wieder mal überwältigt von dieser Sympathie, die man überall im Land spürt. Wir spüren auch langsam die Wüstenhitze - der Schweiss läuft uns unter unseren züchtigen Kleidern herunter.
In Mahan lassen wir uns zuerst im schönen kleinen Park Bagh-e Shahzde nieder. Die schatten spendenden Bäume sind ideal um unsere Mittagspause zu geniessen. Ein paar iranische Familien und in Gruppen sitzende Männer nutzen die Mittagspause für ihren Lunch und eine Plauderstunde. Wir sind die einzigen Touristen. Und übrigens, wir befinden uns mitten im Ramadan, jedoch scheint es so, als halte sich kaum Jemand daran. Für uns umso besser, so dass wir - wie befürchtet - uns nicht auf den Toiletten rasch mit einem Biskuit begnügen müssen, damit uns Niemand beim Essen sieht.
Durch die Mitte der Anlage fliesst ein Wasserkanal - das Wasser läuft abgestuft den Hügel herunter und wird immer wieder durch elegante Springbrunnen unterbrochen. Wir essen endlich unsere Wassermelone, die wir seit Shiraz mitschleppen. Unser Chauffeur freut sich, als wir ihm ein Stück anbieten. Es herrscht eine friedliche Stimmung und im kalten Wasser kühlen wir unsere Füsse ab.
Zum Park gehört auch ein schöner Palast, der sich hinter dicken Mauern versteckt. Die Residenz von Abdul Hamid Mirza, einer der letzten Prinzen der Qajar Dynastie, hauste hier um 1850. Da unsere Zeit etwas knapp bemessen ist und es wiederum mit Eintrittskosten (den üblichen 200'000 Rls) verbunden ist, verzichten wir auf den Besuch. Als ein Wächter sah, dass wir neugierig durch das grosse Tor schauten, bat er uns herein - wir hätten ohne Eintritt die Anlage anschauen dürfen, doch wir verzichten mit einem Lächeln darauf.
Nach dieser sehr angenehmen Mittagspause, besuchen wir das Grabmal eines weiteren verehrten Poeten, Aramgah-e (Grabmal) Shah Ne’matollah Vali. Das Mausoleum wurde 1436 von einem Indischen König gebaut, der ein Bewunderer von diesem Dichter war. Der wunderschöne Dom kam aber erst später dazu. Verschiedene Herrscher haben immer wieder etwas angebaut. Zurzeit wird gerade an einem grossen Vorplatz gearbeitet.
In den alten Gemäuern hat es sogar ein schönes traditionelles Restaurant. Wir setzen uns auf eines der kleinen hölzernen Podesten und gönnen uns eine feine Beeren-Glace. Zurück beim Taxi strahlt uns unser Fahrer an und übergibt uns zwei Flaschen mit gefrorenem Inhalt.
Nun geht es ab in die Wüste. Wir fahren Richtung Berge und ich wundere mich, als wir plötzlich durch einen Tunnel fahren. Das hatten wir auch noch nie.
In dieser Wüsten-Region wird es im Sommer unglaublich heiss - die höchste Temperatur, die je erreicht wurde sprengte fast das Quecksilber aus dem Thermometer: 70 Grad! Als wir mitten im Nirgendwo aus dem leicht gekühlten Auto steigen, schlägt uns eine Hitze entgegen, als hätte jemand die Backofen-Türe geöffnet - bei 220°. Es ist definitiv über 40° heiss. Zum Glück sind wir für diese Hitze ideal angezogen (spürt ihr die triefende Ironie?) - phuuu, wir verschmachten fast in unseren langärmeligen Blusen und Leggins. Unser Fahrer ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt und wir wundern uns was wir hier sollen. Wir nehmen an, dass Mashid mal Pipi machen musste und wir wandern hinaus in die Wüste. Wir laufen an Dutzenden von Ziehbrunnen vorbei und sind darüber erstaunt, dass es auf so kleinem Raum so viele Wasserlöcher gibt. Plötzlich ruft uns Mashid - er ist tatsächlich im wahrsten Sinne vom Erdboden verschluckt worden, denn es gibt hier ein ganzes System von unterirdischen Gängen und Plätzen. Die "Ziehbrunnen" dienen als Luftlöcher des Systems und sind für die Kühlung und Luftzirkulation im dem unterirdischen System zuständig. In der grössten Hitze haben die Einheimischen bis vor ein paar Generationen während der heissesten Jahreszeit ein paar Monate unter der Oberfläche gelebt. Durch die Gänge gibt es sogar Kanäle, wo kühles Wasser fliesst - es herrscht ein sehr angenehmes Klima.
Wir mussten so was von Lachen, dass unser Fahrer die steilen Treppen heruntergelaufen ist und wir das nicht einmal bemerkt haben. Wir haben ihn innert Sekunden aus den Augen verloren und er wunderte sich, wo wir bleiben.
Mashid ist in dieser Gegend aufgewachsen und bringt uns noch zu einer Karavanserei, die zurzeit in ein schönes Hotel umgebaut wird. Gleich um die Ecke fahren wir vor ein Privat-Haus und werden in einen heruntergekühltem Raum von der Frau des Hauses in Empfang genommen. Es stellt sich heraus, dass sie Mashid’s Schwester Sahine (sprich Sachine) ist. Uns wird Tee offeriert. Leider können wir uns nicht gut unterhalten, da unsere Farsi-Kenntnisse minim sind und ihre Englisch-Kenntnisse auch nicht für eine Konversation reichen. Scheinbar beherbergt Sahine oft westliche Gäste. Sie zeigt uns das Gästebuch mit vielen Einträgen und ihr Hühnchen-Gericht wird oft gelobt. Neben dem Haus gibt es einen Innenhof, der von einfachen Zimmern umringt ist. Die Gäste schlafen - wie auch die Einheimischen - auf Teppichen. Nachdem wir uns etwas abgekühlt haben, geht es hinaus in die Kaluts, die Wüste. Hinter einem hohen Felsen halten wir im Schatten. Lucia und ich gehen zu Fuss hinauf auf einen Hügel um die Aussicht zu geniessen. Es ist immer noch sehr warm, Mashid meint so um 40° und es ist bereits 19.00 Uhr und kurz vor Sonnenuntergang. Wir sind ganz alleine und entledigen uns deshalb auch unserem Kopftuch um den Wind mit unseren Haaren spielen zu lassen. Die Farben verändern sich, während die Sonne sich dem Horizont zu neigt. Zurück beim Taxi überrascht uns Mashid mit einer süssen Honig-Melone. Ahhh, so erfrischend und super fein. Er ist so lieb zu uns und schenkt uns immer ein fröhliches Lächeln. Wir verstehen uns mit Gestik und Mimik.
Die Rückfahrt dauert über 2 1/2 Stunden; total müde kommen wir im Hotel an. Der Rezeptionist begrüsst uns mit einem freundlichen: Welcome back, Swiss Ladies! Wir verabschieden uns von Mashid - einem Mann, an den ich mich noch lange erinnern werde.
Nach einem feinen Abendessen im Hotel fallen wir hundemüde vom langen und superspannenden Tag ins Bett.
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