Viele skeptische Fragen wurden mir vor der Abreise in den Iran gestellt. Was, du reist in dieses frauenfeindliche Land? In ein muslimisches Land, das immer wieder für negativen Schlagzeilen sorgt? Ist das überhaupt sicher?
Zur Entscheidungsfindung, ob ich dieses Land bereisen sollte, habe ich viele Reiseberichte gelesen und alle Autorinnen und Autoren schienen durchwegs begeistert zu sein. Klar ist, dass man von der westlichen News-Berichterstattung einen schlechten Eindruck von Iran erhält, deshalb konnte ich die vielen Hinterfragungen meiner Freunde und Familie verstehen, doch wenn man sich etwas vertieft mit dem Land befasst, ändert man rasch die negativ vorgefasste Meinung und wenn vor Ort wird man durchwegs positiv überrascht.
Kleidervorschriften - gelten nur im öffentlichen Raum
Selbstverständlich hielten wir uns in der Öffentlichkeit (also über all ausser im Hotelzimmer oder in Privatwohnungen) jederzeit an die Kleidervorschriften, schliesslich wollten wir nicht negativ auffallen und zollten Respekt gegenüber dem Gastgeberland. Es fiel uns aber bei der sommerlichen Hitze teilweise sehr schwer und es gab mehrere Augenblicke, wo ich die Kleidervorschriften verfluchte (vorallem als wir in einem Loch in der Maurer Männer in einem Swimmingpool herumplantschten sahen und wir in der brütenden Mittags-Hitze fast verschmachteten).
An folgende Vorschriften muss Frau sich halten:
Haupt ist mittels einem leichten Schal (Hijab) bedeckt. Haare dürfen am Ansatz gezeigt werden.
Dekoleté zeigen ist tabu. Das Oberteil ist also hochgeschlossen.
Arme und Po müssen vollständig bedeckt sein. Entweder mittels langer Bluse oder einem Mantel.
Beine sind bis zum Knöchel bedeckt. Das kann mittels Jeans, Leggins, Schlabberhose oder in seltenen Fällen Rock sein.
Die Füsse von einheimischen Frauen haben wir kaum je zu Gesicht bekommen, obwohl es dazu keine klare Vorschriften gibt.
Gedeckte Farben
Je südlicher, desto konservativer wurden die Vorschriften umgesetzt - wir haben uns jeweils an den einheimischen Frauen orientiert und trugen - aufgrund der Hitze - zwischendurch auch Sandalen und etwas kürzerer Ärmel. Wir haben Frauen aus dem modernen Teheran getroffen, bei denen der Hijab gefährlich tief sass.
An hochreligiösen Orten ist ein Tschador (Tuch, das den gesamten Körper bedeckt) Pflicht.
Die Kleidervorschriften fallen vollständig weg, sobald man einen privaten Haushalt (oder das Hotelzimmer) betritt. Jedenfalls war das unsere Erfahrung. Kaum die Schwelle übertreten wird die vorschriftsgemässe Kleidung abgelegt und die Frauen stehen in T-Shirts (teilweise sogar Trägershirts) und Caprihosen sowie Barfuss vor einem. Das war jeweils eine wohltat - einerseits weil die Durchsetzung der Vorschriften nur bis zur Haustür reicht und andererseits man sich so bestätigt sieht, dass die Iranerinnen und Iraner ultra modern denken.
Ich würde öfters auf Farsi angesprochen, weil man dachte, ich sei eine Einheimische - wahrscheinlich aufgrund der dunklen Haare und der Kleidung, die sich kaum von den Einheimischen unterscheidete.
Gastfreundschaft - es hagelte nur so von Einladungen
Die Gastfreundschaft ist intensiv und offen - ich habe auf meinen vielen Reisen noch nie eine so herzliche Willkommenskultur erlebt. Wir konnten uns teilweise vor Einladungen kaum erwehren und wurden zum Mittagessen, an eine Hochzeit (von einem Gast), zum abendlichen kühlen Drink (natürlich ohne Alkohol), in eine Schule zum Tee und Unterricht oder einfach nur zum Plaudern in einen Shop eingeladen. Alle zeigten neugieriges Interesse (nicht nur Smalltalk) und wollten mehr über uns und unser Leben erfahren. Wir fühlten uns immer ehrlich Willkommen und es wurde keinesfalls eine Gegenleistung erwartet.
Natürlich gibt es auch Personen resp. eigentlich nur Männer, die mit westlichen Touristen versuchen ins Geschäft zu kommen und deshalb erhielten wir tagtäglich Angebote inkl. Telefonnummern von Männern, die helfen oder unser Reiseführer sein wollten. Die Angebote waren nie aufdringlich.
Öffentlicher Verkehr
Wir sind mit teils sehr modernen Fern-Bussen von Stadt zu Stadt gefahren und innerhalb der Städten haben wir uns - falls wir nicht zu Fuss unterwegs waren - mit Taxis und Bussen bewegt. Die öffentliche Verkehr von A nach B ist sehr zuverlässig und einfach zu organisieren.
Die Geschlechtertrennung ist in den Verkehrsmitteln sehr gut sichtbar. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die erste Reihe in den Fernbussen für Frauen tabu sind (wahrscheinlich zu nah am Chauffeur). In den Sammeltaxis ist nie eine Frau neben einem Mann gesessen. Im Stadtbus gibt es klare Trennung zwischen den Geschlechtern. Die Frauen sitzen im hinteren Teil, die Männer vorne.
Wissen und moderne Ansichten
Die Iraner sind alles andere als von der Aussenwelt abgeschnitten. Zwar funktioniert Facebook nicht und Nachrichten werden hart zensuriert, jedoch sind überall Satelliten-Schüsseln auszumachen, so dass man jegliche ausländische TV-Sender empfangen kann und die Iraner sind Meister im Umgehen von Sperren. Iraner sind voll und ganz informiert, was in der Welt läuft und ärgern sich sehr darüber, dass über sie meist negativ berichtet wird. Die erste Frage, wenn man mit einer iranischen Person in Kontakt tritt, ist immer: Was hältst du vom Iran und von uns Menschen? Ihnen ist sehr wichtig, dass man einen positiven Eindruck gewinnt und diesen dann auch in die Welt hinaus trägt. Die Iraner sind sehr ehrliche, umgängliche und offene Menschen. Wir haben uns jederzeit immer und überall sicher gefühlt.
Ramadan - nur ein Bruchteil der Bevölkerung praktiziert Ramadan
Der grösste Teil unserer Reise verbrachten wir während dem Ramadan. Wir hatten uns auf 10 harte Tage vorbereitet und Snacks mitgenommen. Wir sahen uns beim Mittagessen und Durstlöschen versteckt auf Toiletten oder im Hotelzimmer. Weit gefehlt! Wir hatten das Gefühl, dass der Ramadan nur von wenigen Menschen praktiziert wird und falls wir sie darauf ansprachen, ob sie Ramadan machen, wurde meist abgewunken. Es sei ungesund oder die Person gehört zu den Ausnahmen, die keinen Ramadan machen müssen. Entweder war man zu alt oder zu jung (Kinder), hat vor kurzem (ausdehnbarer Begriff) ein Kind geboren und stillt ev. noch, man ist auf Reisen (somit wurde auch im Bus und Taxi immer getrunken und gegessen) oder wenn dann gar nichts zutraf, hatte man gesundheitliche Probleme.
Währung - Rial? Toman?
Die offizielle Währung ist Rial (Mai 2017 Rls 100'000 = CHF 3.- oder EUR 2.75). Da aber die Rials sehr viele Nullen haben, zwacken die Einheimischen eine Null ab und nennen die "dezimierte" Währung" Toman. Auf den meisten Preisschildern (Schaufenster, Menükarten usw.) sind die Preise in Toman angegeben. Wir müssen uns zuerst daran gewöhnen, dass wir immer eine Null anhängen müssen, um danach die richtige Note aus unserem dicken Bündel heraus zu suchen. Es ist von Vorteil, wenn man wenigstens die farsi Zahlen lesen kann - das haben wir jeweils anhand der Autokennzeichen geübt.
Die Geldscheine sind teilweise in einem sehr desolaten Zustand. Einige Geldscheine werden nur noch von Klebeband zusammengehalten, andere sehen sehr zerschlissen aus. Wir sind erstaunt, dass nie eine verklebte Note verweigert wird. In Indien werden solche Noten nicht angenommen, deshalb muss man immer auf der Hut sein, dass man keine zerschlissene Note untergejubelt erhält.
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